Caravans wurden nicht in Holland erfunden!

Individuell verreisen und gleichzeitig in den eigenen vier Wänden wohnen. Alle Sehenswürdigkeiten dieser Welt erleben und dennoch abseits des Massentourismus die Lager aufschlagen. Das lässt sich seit der Erfindung des Caravaning verbinden.

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1936 erfüllte Max Würdig nicht nur sich sondern einer ganzen Gesellschaft einen Wunschtraum. Weil er gemeinsam mit seiner Freundin wegen moralischer Bedenken der Vermieter nur schwer eine Unterkunft fand, beschloss der Fahrzeugbauer aus dem sächsischen Bad Düben selbst Abhilfe zu schaffen. Er entwickelte das Dübener Ei, ein fahrendes Zwei-Bett-Zimmer. Nachdem er große Resonanz erhielt, startete Würdig die Serienproduktion, welche bis 1990 durchgeführt wurde. Karl-Bernhard Würdig übernahm Ende der fünfziger den väterlichen Betrieb.

1972 wurde das kleine Unternehmen in der DDR verstaatlicht und gehörte dann zum VEB Stahlbau Krippehna Betriebsteil Campinganhänger Bad Düben. Bis zu diesem Zeitpunkt produzierte es an die 90 „Würdig 301-2“ jährlich. Insgesamt wurden ca. 2000 Stück dieser nach ihrer seltsamen Form auch „Wanderniere“ genannten Campinganhänger gefertigt. Ihre Spitztüten-Form behielten sie.

Der Konstrukteur zeigte viel Feingefühl bei der Lösung von Detailfragen. Das erste Haus am Haken war eine Pionierleistung.

Das Fahrwerk ist starr und ohne Bremssystem. Der Oberbau besteht aus einem Holzrahmen mit Hartpapierbeplankung. Die Isolierung ist aus Piathermwaben gefertigt, die Inneneinrichtung aus Sperrholzplatten einfach und zweckentsprechend.

Das Gefährt ist ein Einachsanhänger mit einem Leergewicht von 300kg aufgrund der Leichtbauweise. Dank dieser läuft er ruhig hinter dem Zugfahrzeug her. Die Maße 4m x 2m x 2m erlauben ein sehr übersichtliches Fahren im Straßenverkehr.

In der jahrelangen Entwicklung des Dübener Eies ist zu erkennen, dass sicher wegen des knappen Materialangebots in der DDR 1989 und 1990 nur noch Hängefenster wie im Bastei statt der bisherigen Schiebefenster verbaut wurden. Zuvor wurden teilweise die runden Rückleuchten ersetzt durch die schiffchenartigen des 311er Wartburgs. Mit diesen musste dann auch mittig eine Kennzeichenbeleuchtung befestigt werden, die sonst in die linke der zwei runden Rückleuchten eingearbeitet war.

Die Tür des Wohnanhängers ist zweigeteilt, im oberen Teil ist innen ein Spiegel mit kleinem Ablagefach montiert. Diese beiden Teile sind an der Außenhaut fixierbar, sodass die Tür nicht zufallen kann. Es befinden sich Lüftungsgitter im unteren Teil der Tür und jeweils über den Seitenfenstern.

Im Innenraum ist das Ei mit einer U-förmigen Sitzecke ausgestattet, welche sich mit ein paar Handgriffen zu einer 2½-Mann-großen Liegefläche umklappen lässt. Hinter der Rückenlehne der Bank verstaut man optimal Bettdecken und Kissen. Über ihr befindet sich eine Regalzeile, welche genauso wie der Kleiderschrank viel Stauraum bietet. Die Küchenzeile im Bug besteht aus einem Gaskocher zwei Kochplatten, dazu einer kleinen Gasflasche, einer Besteckschublade und ebenfalls einem Schrank zum Verstauen der wichtigsten Haushaltsgegenstände. Durch einen Vorhang kann man diese Reiseküche auch ganz leicht „verschwinden“ lassen. Ebenfalls befinden sich an den Seitenfenstern Übergardienen in modischem DDR-Design und an allen drei Fenstern Stores.

Um abends Licht ins Dunkel zu bringen hat man die Wahl: entweder man nutzt die schon angebrachten Lampen (6V/12V) oder man bringt eine größere mit, für welche man eine Steckdose zur Verfügung hat.

Ebenfalls ist es möglich ein Vorzelt anzubringen, welches u.a. einen anknöpfbaren radseitigen Windschutz zur Fußraumabdichtung bietet.

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Vor der Wende kostete das ausgeklügelte Reisegefährt 5335,-- Ost-Mark (ohne Vorzelt), ca. zehn Monatsgehälter eines DDR-Bürgers.

Bis heute ist das Dübener Ei die wohl formschönste Umsetzung des Caravaning und begeistert viele Oldtimer-Liebhaber sowie Camping-Freunde.

 

Quellen:

  • Berliner Zeitung (18.06.1997)
  • Personenwagen der DDR Band II, Achim Gaier, Schrader Verlag 2001
  • Ich fahre mit einem Camping-/Lastenanhänger, transpress, VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin, 1977
  • www.caravan-wuerdig.de